Wildt J. Zur Didaktik lebenslangen Lernens – Hochschuldidaktische Perspektiven auf Wissenschaftliche Weiterbildung // Lebensbegleitendes Lernen. № 3, 2013, DOI: 10.15393/j5.art.2013.2142


Ausgabe 3

Kontinuierliche Ausbildung in der gegenwärtigen Welt: Methodologie der Forschung und Projektierung

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Zur Didaktik lebenslangen Lernens – Hochschuldidaktische Perspektiven auf Wissenschaftliche Weiterbildung

Wildt Johannes
,
johannes.wildt@tu-dortmund.de
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1. Eine hochschuldidaktische Perspektive auf die Wissenschaftliche Weiterbildung

Wissenschaftliche Weiterbildung spielt  zwar aufs Ganze gesehen noch immer eine nachgeordnete Rolle, gehört zum regulären Lehr- und Studienangebot der Hochschulen. Grundsätzlich ist sie insofern auch genuiner Gegenstand einer Hochschuldidaktik, die sich mit der Erforschung, Reflexion und Gestaltung dieses Angebots befasst. Im hochschuldidaktischen Diskurs ist davon allerdings kaum etwas zu vernehmen. Hochschuldidaktische Forschung und Entwicklung, Weiterbildung und Beratung erstrecken sich in der Hauptsache auf das grundständige Studium vom Bachelor und Master bis in die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Abgesehen von wenigen Arbeiten, die meist aus dem Bereich der Erwachsenenbildung stammen (Knoll, 1998, 2004;Jütte/Schilling 2005), fällt  der Bereich der Wissenschaftlichen Weiterbildung jedoch aus dem Wahrnehmungshorizont der Hochschuldidaktik heraus. Das sollte und wird sich ändern je mehr die Wissenschaftliche Weiterbildung ihre Randständigkeit überwindet und verstärkt in das  Lehr- und Studiensystem der Hochschulen integriert wird.

Unter didaktischen Gesichtspunkten könnten alle Komponenten der Hochschulbildung dadurch gewinnen. Dies ist jedenfalls die Perspektive der institutionellen Integration der Einrichtungen für die Wissenschaftliche Weiterbildung einerseits und Hochschuldidaktik andererseits an der Technischen Universität Dortmund am Ende vergangenen Jahres. Mit Blick darauf werden im Folgenden einige Überlegungen aus der Warte der Hochschuldidaktik vorgetragen. Vermerkt sei aber an dieser Stelle, dass auch die Auswertung und Nutzung der didaktischen Erfahrungen aus der Wissenschaftlichen Weiterbildung für das grundständige Studium und die Qualifizierung des wissenschaftlichen Nachwuchses anregend sein dürften. DieErörterungdieses Ertrages der Erfahrungen aus der wissenschaftlichen Weiterbildung würde jedoch den Rahmen des vorliegenden Beitrags sprengen.

2. Triebkräfte

Das Zusammenwachsen von grundständigem Studium und wissenschaftlicher Weiterbildung wird durch wirkmächtige Einflussfaktoren vorangetrieben, deren Kenntnis zum  Verständnis der hochschuldidaktischen Aufgaben beitragen. Drei der einflussreichsten Triebkräfte sollen hier diskutiert werden:

2.1  Arbeitskräftebedarf

Maßgeblicher Einfluss auf die Entwicklung des akademischen Bildungsangebots geht von dem Bedarf an wissenschaftlich qualifizierten Arbeitskräften aus. Die Prognose dieses Bedarfs für Deutschland durch die Prognos AG lässt ein langfristiges Wachstum sowohl im Bereich der beruflichen wie auch der hochschulischen Bildung erkennen.

Die Entwicklung lässt sich sektoral spezifizieren. Die folgende Übersicht zeigt Zuwächse in zahlreichen Berufsfeldern, die akademische Qualifizierung erfordern und in denen wie etwa im Bereich von Gesundheit und Erziehung derzeit Akademisierungsprozesse der beruflichen Bildung zu beobachten sind, die zu einem „Upgrading“ beruflicher Bildung in die Hochschulbildung führen.

2.2 Demographische Entwicklungen

Der aus dem beruflichen und gesellschaftlichen Wandel erwachsende Bedarf  an akademisch qualifizierten Arbeitskräften und die daraus zu folgernde Expansion der Hochschulbildung gehen mit einer demographischen Entwicklung einher, die zu einer dramatischen Verschiebung der Alterspyramide führt. Das folgende Schaubild zeigt, wie sich die Kohortenstärke der Jahrgangsgruppen über dieAltersstufen hinweg verändert (Statistisches Bundesamt 2008)

Aus dem Zusammentreffen der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt und in der Demographie ergibt sich ein starker Druck auf die Expansion der Hochschulbildung. Dabei geht es nichtzuletzt um die Ausschöpfung des Bildungspotentials älterer Jahrgänge . Der Bedarf wird zwar zumeist unter Arbeitsmarktaspekten spezifiziert, steht aber im Kontext eines tiefergreifenden Wandels  der kulturellen und gesellschaftlichen Lebensverhältnisse durch Wissenschaft und Technologie. Eine integrative hochschuldidaktische Perspektive auf Hochschulbildung in wissenschaftlicher Aus- wie Weiterbildung erstreckt sich insofern nicht nur – um an dieser Stelle die Bologna-Sprache zu bemühen – im Sinne von „Employability“ auf die berufliche sondern im Sinne von „Citizenship“  auf die Teilhabe an gesellschaftlich-kulturellen Sphäre.

2.2  Zur Ausdifferenzierung der Hochschulbildung

Der Bologna-Prozess, der ohne Bezug auf beruflichen und kulturellen und gesellschaftlichen Wandel  nicht zureichend begriffen werden kann, lässt sich als diesen Entwicklungen korrespondierende Ausdifferenzierung des Bildungsangebots betrachten. Die Aufgliederung der Hochschulbildung in eine zwei- bzw.  dreiphasige Struktur aus Bachelor,Master und Promotion, schafft  in kürzeren Abschnitten Ausgänge in Beruf bzw. Gesellschaft bzw. Übergänge, die zwischen Phasen der Berufstätigkeit oder gesellschaftlichen Praxis treten und  von denen eine Rückkehr in die Hochschulbildung stattfinden kann.  Schon dies allein schafft eine höhere Flexibilität in den Qualifikationsprozesse, wie sie schon in den  70ger Jahren von der flexibilitätsorientierten Arbeitsmarkt- und Berufsforschung auf die Agendader Hochschulreform gesetzt worden ist (vgl. Mertens 1973). Der Bologna-Prozess mit seiner Fokussierung auf Studiengangsstrukturen einschließlich der Vorgaben von darauf bezogener  Mindeststandards (Module, Worksloads, Credits, Gradepoints und studienbegleitenden Prüfungssystemen, Diplomsupplements) ist Motor einer studiengangsinternen Ausdifferenzierung, in der Lehr- und Studienprozesse in voneinander abgegrenzte Einheiten zerlegt werden.

Soweit weiterbildende Studiengänge in der Regel auf dem Masterniveau einschließlich der damit verbundenen Prüfungen eingerichtet werden, gilt dies auch für die wissenschaftliche Weiterbildung. Weiterbildende Studiengänge, die dann auch den Prozeduren der Akkreditierung unterzogen werden, bilden aber gewissermaßen nur die Spitze des Eisbergs der  weiterbildenden Studien. Neben den  Masterstudiengängen setzt sich das Angebot in der wissenschaftlichen Weiterbildung aus eine Vielzahl von Einzelveranstaltungen oder Veranstaltungssequenzen zusammen, die gegebenenfalls mit der Vergabe von Zertifikaten verbunden sind. Gerade hier bieten sich vielfältige Anschlüsse  an Moduleder grundständigen Studiengängewie auch umgekehrt von  Modulen in Bachelor- und Masterstudiengängen  an die Weiterbildungsangebote.Insgesamt stellen die Hochschulen bereits heute ein reichhaltiges und in Zukunft ausbaufähiges wissenschaftliches Bildungsangebot im grundständigen und weiterbildenden Studium bereit, das schon jetzt die Flexibilität weiter erhöht.

3. Systematik

Der hochschuldidaktische Diskurs, der in der Hauptsache über das grundständige Studium verläuft, soll entsprechend der eingangs aufgeworfenen Fragestellung im Folgenden auf die wissenschaftliche Weiterbildung verlängert werden. Zu diesem Zweck bedarf es einer wenigstens skizzenhaften Darstellung der Grundmuster dieses Diskurses im Hinblick auf Rahmung, Struktur und Prozess hochschuldidaktischer Argumentation.

3.1  Frame of Reference

In seinem  enzyklopädischen „Capstone“ der Entwicklungen in den ersten eineinhalb Jahrzehnten der neueren Hochschuldidaktik stellt Huber (1983) eine Hochschuldidaktik als Theorie der Bildung und Ausbildung in das Dreieck der Bezüge zwischen  Wissenschaft, Praxis und Person. AlleLehren und Lernen (einschließlich Prüfungen) als Kernprozesse der Hochschulbildung betreffenden Gestaltungsansätze, Forschungsprojekte und Reflexionsangebote der Hochschuldidaktik bewegen sich in diesem Bezugsrahmen und lassen sich dort ihrer Nähe zu den jeweiligen Referenzsystemen nach verorten. Ihre Positionierung färbt das zugrunde liegende Lern- (bzw. Lehr)konzeptim Sinne eines auf Wissenschaft bezogenen forschenden, eines auf Praxis bezogenen, praktischen und auf die Personen bezogenen reflexiven  bzw.  persönlich signifikanten Lernens, Mischungsverhältnisse  zwischen diesen eingeschlossen (Beispiele dazu vgl.  Schneider/Wildt 2009)

3.2  Struktur

Um genauer zu erfassen, warum es in der Erweiterung des hochschuldidaktischen Diskurses auf die Wissenschaftliche Weiterbildung geht, lässt sich der theoretische „Frame of Reference“ zu einem argumentativen Strukturgitter weiter entfalten. Professionen zeichnen sich  als Berufe durch eine besondere Verknüpfung  von Wissenschaft und  Praxis aus, die im Prozess der Professionalisierung durch eine Integration von forschendem und praktischem Lernen (am Beispiel der Lehrerbildung ausgefaltet: Roters u.a. 2009) didaktisch strukturiert werden kann. Wissenschaftliche Weiterbildung zeichnet sich nun durch die Verknüpfung von Lernorten in Beruf bzw. Gesellschaft auf der einen und der Hochschule auf der anderen Seite aus. Studieren  in den Hochschulen steht Lernen in der Arbeitswelt gegenüber, das die Arbeitsprozesse begleitet. Das wissenschaftliche Wissen, das wissenschaftsmethodische Können und die Haltungen, die im Prozess der akademischen Lernens gewonnen werden auf der einen Seite und das praktische  Wissen und Können, sowie die Handlungsbereitschaften, die sich in der beruflichen bzw. gesellschaftlich-kulturellen Praxis herausbilden,  verbinden sich in der jeweiligen Lern- bzw. Berufsbiographie zu einemWissenschaft und Praxis integrierenden Konzept der Handlungskompetenz und werden damit zum Gegenstand einer Aus- und Weiterbildung umspannenden Hochschuldidaktik.

3.3  Prozesse

Die strukturelle Betrachtung, die das Feld der Hochschuldidaktik im Überblick skizziert, bedarf einer prozessbezogenen Ergänzung, um die Grundlinien hochschuldidaktischer Handlungsstrategien zu verdeutlichen. Der Kolb’sche „Learning Cycle“ (Kolb 1984) eignet sich gut dazu diese Grundlinien zu charakterisieren, die von der lebensweltlichen Erfahrung („Experience“) über deren Reflexion („Reflection“) und eine neue Sicht auf die Praxis („Concept“) und  Entwurf und Erprobung daraus folgender Handlungsmuster („Experiment“) verläuft und in eine Veränderung der Alltagswelt mündet.

Für das Lebenslange Lernen im Raum der Wissenschaft, das durch Wissenschaftliche Weiterbildung strukturiert wird, kommt es darauf an die Lernzyklen in einer doppelten Hinsicht zu relationieren: Auf der einen Seite mit den Domänen der Wissenschaft, in denen die Weiterbildung angelegt wird, zum anderen mit der beruflichen und gesellschaftlichen Praxis aus der die Weiterbildungsteilnehmer kommen und  gehen. Das folgende Schema zeigt die Korrespondenzen zwischen „Experience“ und „Arbeits- bzw. Lebenssituation“ einerseits und den korrespondierenden„Wissenschaftsdomänen“ andererseits als jeweiliger Ausgangspunkt des Lernprozesses und den Weg, der im inneren Zirkel, der der Logik des Wissenschaftsprozesses von den Fragen über die Theorien und Methoden folgt,  sowie im äußeren Zirkel,  der über die Intentionen zur Veränderung, der Planung zur Innovation bis hin zur Veränderung der Arbeits- bzw. Lebenssituation verläuft. Diese nur in wenigen Strichen skizzierten Zusammenhänge lassen sich weiter ausdifferenzieren, indem die Praxis auf der einen und die Wissenschaft auf der anderen Seite als Referenzsysteme differenzierter ausgefaltet werden. (vgl. dazu Wildt am Beispiel des forschenden Lernens, 2011).  Hochschuldidaktisch folgenreich ist an dieser Stelle, dass der didaktische Diskurs im Kontext einer Theorie der Bildung und Ausbildung an Hochschulen (Huber a.a.O. zitiert) dabei die Integration des forschenden und praktischen Lernens mit Blick auf die Entwicklung der beruflichen und gesellschaftlich-kulturellen Kompetenzen der Weiterbildungsteilnehmer thematisiert. Dies soll im Folgenden an einigen hochschuldidaktischen Leitlinien exemplifiziert werden.

4. Hochschuldidaktische Leitlinien lebenslangen Lernens

Dies kann und muss an dieser Stelle nur in hochgradig kondensierter und unvollständiger Form geschehen. Herausgehoben werden sollen deshalb insbesondere solche Potentiale aus dem Fundus der Hochschuldidaktik, die nicht nur aktuell sind, sondern besonders ertragreich an die Entwicklungen des lebenslangen Lernens im Kontext der wissenschaftlichen Weiterbildung anschlussfähig erscheinen:

4.1  Der „Shift from Teaching to Learning“

Mit mittlerweile weltweit populären Formel des “Shiftfrom Teaching to Learning” haben Tagg und Barr 1995 die Auffassung zu Ausdruck gebracht, dass die Bewältigung Krise der Hochschulbildung nur mit einer verstärkten Verantwortungsübernahme der Studierenden für ihren Lernprozess gemeistert werden kann. Die aus der Sicht des Hochschulmanagements  geprägte Formulierung hat auch hochschuldidaktisch weitreichende Konsequenzen, da sie einen Paradigmenwechsel von einer Inhaltorientierten Lehre zu einem didaktischen Denken forciert, der das Lernen der Studierenden in den Mittelpunt stelltund von da aus Lehre und Studium gestaltet. Diese Sichtweise, die z.B. im Sammelband vonWelbersund Gaus (2005) facettenreich beleuchtet wird, ist für die wissenschaftliche Weiterbildung von weitreichendem Belang, weil sie es erfordert, die wissenschaftliche Weiterbildung auf die „Experience“ der Teilnehmerinnen und Teilnehmer auszurichten und deren Verantwortung für die eigenen Lernprozesse in den Mittelpunkt zu stellen.

4.2  Biographisches Lernen

Hochschuldidaktische Konsequenzen müssen deshalb aus dem Umstand gezogen werden, dass sich wie die sozialen und beruflichen Biographien auch die Standardlern bzw. –studienbiographien immer weiter auflösen. Diese Einsicht ist zwar nicht neu, sie muss jedoch bei  einer wachsendenden Bedeutung der wissenschaftlichen Weiterbildung mit einer gesteigerten Flexibilisierung in der Abfolge von Studien- und Arbeitsphasen verstärkt in Rechnung gestellt werden. Insbesondere die Transitionen zwischen Lern- und Arbeitsphasen sollten verstärkt ins Kalkül gezogen werden, um die Anschlussfähigkeit der Studienangebote an die Lernvoraussetzungen aber auch zu den intendierten beruflichen und gesellschaftlich-kulturellen Bezügen zu sichern.

4.3  Diversity

Lebenslanges  Lernen im akademischen Raum vervielfältigt die Lernerverschiedenheit und damit „Diversity“ als Herausforderung für die Hochschuldidaktik (vgl. Viebahn 2008). Die Integration von „New Students“, wie sie mit der gesteigerten Durchlässigkeit zwischen Beruf und Gesellschaft bzw. Kultur in lebensbegleitendem Lernen Aufgabe ist, kann dabei nicht durch die Herstellung immer ausdifferenzierterer Studienangebote für immer mehr Zielgruppen gelöst werden. Sie  erfordert vielmehr eine Didaktik der Heterogenität, in der Potentiale  unterschiedlicher Erfahrungen und Kompetenzen im Lernen miteinander genutzt werden. Mit dieser Frage nach der Zielgruppenadäquanz der Bildungsangebote, die die aktuelle Debatte in Studienreform und Hochschuldidaktik prägt, wirkt die Wissenschaftliche Weiterbildung nicht nur als Katalysator sondern als „didaktisches Labor“ für den Umgang mit der Lernerverschiedenheit.

4.4  Selbstregulation

Wenngleich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an wissenschaftlicher Weiterbildung unabweisbar erwachsene Lerner sind und zu Recht ein erwachsenengerechtes Lernarrangement erwarten, besteht hier jedoch kein grundsätzlicher Unterschied zum grundständigen Studium. Schon die Hochschulpädadogik des frühen 20. Jahrhunderts basierte auf der Nutzung aus den damals thematisierten andragogischen Erkenntnissen über das Lernen von Erwachsenen für die Hochschulbildung (Leitner 1984). In neueren Untersuchungen geht es aber um eine Konkretisierung der Aspekte, die in den Ansprüchen anSelbstregulation enthalten sind.So ist es von weitreichender Konsequenz für die Lehr-Lernarrangements, ob in selbstbestimmten Lernen Ziele und Inhalte unter die Verfügung der Lerner fallen, ob es im Sinne der Selbstorganisation lediglich um eine selbstverantwortliche Herstellung von Lernbedingungen geht, oder sich auf die Selbststeuerung der Lernprozesse bezieht.

4.5  Aktives und kooperatives Lernen

In jedem dieser Fälle bilden die wissenschaftliche Weiterbildung auf den breiten Fundus an Gestaltungskonzepten für aktives und kooperatives Lernen zurückgreifen. Auf der Linie des genannten Shifts von einer dozenten- zu einer studierendenzentrierten Lernkultur zählen dazu alle Aktivitäten Einzelner oder von Gruppen geprägt sind, die  praktisches Handeln,  Präsentieren, Zusammenarbeit, diskursiver Erörterung im Unterschied zu Rezeption oder Routineanwendung umfassen.  Die Hochschuldidaktik hat viel Material zu elaborierten Konzepten, die diese Handlungsmuster integrieren, unter Stichworten wie problembasiertem, allbezogenen, projektorientierten oder forschendem Lernen zusammengetragen (Wildt, 2010).  Die Merkmale solcher Konzepte „situierten Lernens“, die dem  Projekt der Europäischen Rektorenkonferenz zu „Tuning of Educational Structuresin Europe“ (2008) zugrundliegen,  heben auf die Komplexität und Authentizität der Lernaufgaben, deren multiperspektivische und auf Zusammenarbeit angelegten Zuschnitt, und die explizite Reflexion und Artikulation der Aufgabenbearbeitung ab.  Die Anforderungen an heutige Bildungsangebote von Hochschulen, situiertes Lernen zu realisieren, erstrecken sich gleichermaßen auf Aus- wie Weiterbildung.

4.6  „ConstructiveAlignment“ zwischen Lernergebnissen, Lehr-Lernverfahren und Prüfungsformaten

Aktives und kooperatives Lernen bilden allerdings nur einen  freilich zentrale Eckpunkt eines wissenschaftlichen Studiums. Biggs und Tang haben 2009 international viel Zustimmung gefunden, solche Lehr-Lern verfahren mit Lernergebnissen einerseits und Prüfungsformaten (Wildt, B. und Wildt, J.. 2011)  andererseits zu einer Grundstruktur der Curriculumentwicklung zusammenzubinden. Zielrichtung ist, die Eckpunkte der Lernergebnisse mit den Lehr-Lernverfahren und den Prüfungsformate  zusammenzufügen. Für die Weiterentwicklung einer Hochschuldidaktik wissenschaftlicher Weiterbildung, sollte deshalb ganz besonders auf die Erfahrungen  aus der beruflichen bzw. gesellschaftlich-kulturellen  Sphäre gelegt werden.

4.7  Lehrauffassungen und Beziehungsmuster in der Hochschulbildung

Die in den vorstehenden Merkmalen erfassten Charakteristika hochschulischen Lehrens und Lernens verlangen von  den Lehrenden Kompetenzen zu einer lernerzentrierten Lehre. Mit Kember und Kwan (2000) laufen die Metastudien der hochschuldidaktischen Forschungen zur Lehrkompetenz darauf hinaus, dass ein tiefenorientiertes Lernen der Studierenden (Trigwell, Prosser und Waterhouse 1999) von einer Lehrauffassung  gefördert wird, die den Studierenden als Subjekteihres Lernens betrachtet und auf Interaktion, Lernbegleitung und Unterstützung epistemischer Neugier gerichtet ist. Lehrende und Studierende gehen dabei Lernpartnerschaften ein, in der die Studierenden zu Kooperandenihre Expertise in die Lehr-Lernzusammenhänge einbringen. Eine  Wissenschaftliche Weiterbildung, die in diesem Sinne auf den beruflichen und gesellschaftlich-kulturellen Kompetenzen ihrer Adressaten aufbaut, wird damit selbst zu einer Antriebskraft im Wissenschaftsprozess.

5. Perspektiven

Mit dem Anschluss der Wissenschaftlichen Weiterbildung an Rahmen, Struktur und Prozesse des hochschuldidaktischen Diskurses und ihrer Weiterentwicklung entlang der aufgezeigten hochschuldidaktischen Leitlinien eröffnen sich erweiterte  Perspektiven auf eine integrierte Hochschulbildung. Die speziellen Anforderungenan Wissenschaftliche Weiterbildung bereichern diesen Diskurs durch  neue Zielgruppen, deren Erfahrungen und Kompetenzen, die sie in ihrer gesellschaftlichen und sozialen Biographie gewonnen haben und in das akademische Lernen einbringen,  durch die Erschließung von Bereichen in Wissenschaft und Praxis, die aus denen ihre Erwartungen und Interessen erwachsen, durch die Rückkoppelungen die sich zwischen Hochschule und ihrer Umwelt dadurch ergeben. Wenn diese Potentiale in die hochschuldidaktische Programm-, Personal- und Organisationsentwicklung  (Wildt 2002) Eingang finden und zum Gegenstand von Studienreform und hochschuldidaktischer Hochschulforschung werden, ist gleichzeitig ein Gewinn für die Hochschulentwicklung in Lehre und Studium absehbar.

Das Dortmunder Zentrum für Hochschulbildung, das aus Dortmunder Einrichtungen für die wissenschaftliche Weiterbildung einerseits und Hochschuldidaktik andererseits hervorgegangen ist, betrachtet diese Perspektiven als Chance und erhofft sich bei deren Umsetzung überregionale und internationale Zusammenarbeit.

Literatur

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Jütte, W.; Schilling, A. (2005): Teilnehmer und Teilnehmerinnen als Bezugspunkt wissenschaftlicher Weiterbildung. In Jütte, W. ; Weber,K. (Hrsg.): Kontexte wissenschaftlicher Weiterbildung. Entstehung und Dynamik  von Weiterbildung im universitären Raum, Münster

Kember, D.; Kwan, K. (2000): Lectures Approaches to Teaching and their Relationship to Conceptions of Good Teaching, in: Instructional Science, Vol. 28, pp. 469-490.

Knoll, J. (1998) (Hrsg.): Hochschuldidaktik der Erwachsenenbildung, Bad Heilbronn

Knoll, J: 2004 Hochschuldidaktik und Qualitätsentwicklung – Ein Beitrag zur Förderung innovativer Lehr-Lernkultur in der wissenschaftlichen Weiterbildung, hrsg. Von der Donau-Universität Krems, S. 9 – 20, Krems

Kolb, D.. (1984): Experience as the source of learning and development. New York

Leitner, E.  (1984): Hochschul-Pädagogik. Frankfurt/M., Bern, New York ,Nancy

Mertens, D.: Schlüsselqualifikationen – Überlegungen zu ihrer Identifizierung und Vermittlung im Erst- und Weiterbildungssystem. In: Faltin, G., Herz, O. (Hrsg.): Berufsforschung und Hochschuldidaktik  32/1973, S. 204-230

Roters, B.; Schneider, R.; Koch-Priewe, B.; Thiele, J.; Wildt, J. (Hrsg.): Forschendes Lernen in Praxisstudien. Hochschuldidaktik – Professionalisierung – Kompetenzentwicklung. Bad Heilbrunn

Schneider, R.; Wildt, J. (2009):  Forschendes Lernen in Praxisstudien – Wechsel eine Leitmotivs.In Roters, B. u.a. (a.a.O.), S.

Trigwell, K.; Prosser, M.; Waterhouse  (1999): Relations between teachers’ approaches to teaching and student’s approaches to learning. In: Higher education, 37, 57 -70

Viebahn, P. (2008): Lernerverschiedenheit und soziale Vielfalt im Studium, Bielefeld

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Wildt, B.; Wildt, J. (2011): Lernprozessorientiertes Prüfen im „ConstructiveAlignment“ – auf dem Weg zur Entwicklung der Qualität von Lehre und Studium. In: Berendt, B.;Szczyrba,B.; Wildt, J. (Hrsg.): Neues Handbuch Hochschullehre, hrsg.  Berlin, Griffmarke H6.1

Wildt, J. (2003): „The Shiftfrom Teaching to Learning“ – Thesen zum Wandel der Lernkultur in modularisierten Studienstrukturen. In: Fraktion Bündnis 90/Die GRÜNEN im Landtag NRW (Hrsg.): Unterwegs zu einem europäischen Bildungssystem. Düsseldorf

Wildt,J.: Ein hochschuldidaktischer Blick auf Lehre und Studium – eine kurze Einführung in die Hochschuldidaktik. In: Berendt, Brigitte/Voss, Hans-Peter und Wildt, Johannes (Hrsg.): Neues Handbuch Hochschullehre, Loseblattsammlung. Berlin , Griffmarke A 1.1

Wildt, J. (2010):  Guidelines for Educators – „From the Sage of the Stage – to the Guide at the Side””. In Berendt, B.; Szczyrba, B.; Wildt,J. (Hrsg.): Neues Handbuch Hochschullehre, Berlin, Griffmarke J1.8



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DOI: http://dx.doi.org/10.15393/j5.art.2013.2142